Text: Andreas Kernke

TIMELINE - VOM NSU K 70 ZUM VW K 70

Bereits am 12. Januar 1965 beschließt der Vorstand des NSU Werks in Neckarsulm, dass sich NSU-Entwicklungschef Ewald Praxl und der Leiter der Design-Abteilung, Claus Luthe, erste konstruktive Gedanken über eine Limousine der Mittelklasse mit Stufenheck und 4 Türen, sowie über eine Kombi-Version mit 3 Türen machen sollen.
Am 30. Juli 1965 war der Entwurf zunächst für den Kombi fertig. Im Laufe der Arbeiten hatte das Fahrzeug allerdings 4 Türen erhalten und wurde in den Werksakten unter Arbeitsbezeichnung "Typ X I" geführt.
Aufgrund einer absehbaren Trendverlagerung fertigte NSU im Oktober 1965 eine sogenannte Fastback-Karosserie auf Basis des NSU 110 mit der Arbeitsbezeichnung Studie 77 I an. Auch dachte man über einen Nachfolger dieses Typ 77 nach und konzipierte den "Typ X II" mit zwei Türen, Frontmotor und -antrieb. Parallel zu dieser Entwicklung arbeiteten die NSU-Designer am neuen Modell "Typ X III"
TYP X III Die Grundkonzeption des K 70 (Arbeitstitel "Typ 86") steht.
Konstruktionsfreigabe nach Begutachtung des 1:1 Holzmodells am 10.12.1966
"Typ 86" ging am 28. März 1967 das erste Mal in den Windkanal.
Erste Probefahrt im Prototyp am 22. Dezember 1967.
Die für März 1969 geplante Vorstellung für Presse und Öffentlichkeit anläßlich des Internationalen Automobilsalons in Genf wurde im Hinblick auf Verkaufsverhandlungen des NSU-Werkes an VW zurückgezogen.
Vorstellung September 1970: von VW übernommen wurde der K 70 nach Veränderungen am Motorblock und größeren Rädern vorgestellt. Insgesamt aber ließ man das Konzept des Wagens unangetastet.

Damit wurde der K 70 der erste VW mit einem Reihenmotor, Wasserkühlung und Frontantrieb.
Der 1. VW K 70
Im August 1971 erhielt der K 70 andere Stoßstangen (beim L-Modell mit Gummiauflage) und innen neue Sitze.

Hinzu kamen Modifikationen am Armaturenbrett, am Vergaser, an der Getriebestufung beim 90-PS-Motor und eine Menge Detailarbeit, die vor allem der Zuverlässigkeit, der Geräuschdämpfung und einem exakter zu schaltendem Getriebe zugute kommt.
Im Herbst 1972 erschien die letzte Karosserieform: etwas eingezogener Bug, größeres Abdeckblech unter der vorderen Stoßstange mit verbesserter Bremskühlung.

Das L-Modell erhielt Halogen-Doppelscheinwerfer.
Im Juli 1973 erschien ein auf 1,8 Liter vergrößerter Motor mit einer Leistung von 100 PS. Er wurde zunächst in das zusätzliche Modell K 70LS eingebaut. Ab 1974 trat er an die Stelle des 90-PS-Motors.

Im Mai 1975 lief nach genau 210.891 gebauten Fahrzeugen (laut offizieller Produktionsliste) der letzte VW K 70 vom Band des VW-Werkes Salzgitter.
Der letzte VW K 70

HISTORY - IDEE K 70 GENIAL

Dass NSU Ro 80 und VW K 70 quasi Neckarsulmer Geschwister sind, können sie kaum verbergen, sind doch beide Karosserien unter der Leitung des NSU-Entwicklungschefs Ewald Praxl nach dem Ideal der frühen 1970er-Jahre vom NSU-Chef-Designer Claus Luthe entworfen worden. Einstmals war geplant, dass der K 70 in der Mittelklasse irgendwo zwischen NSU 1200 und Ro 80 platziert werden sollte.
Der damals sehr entwicklungsaufwändige und trotzdem wenig solide Wankelmotor des Ro 80 machte den Entwicklern Probleme und minderte den Gewinn. Über den Stolz auf diese innovative Erfindung Felix Wankels übersah man die finanzielle Schieflage des Konzerns.

Als die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckende NSU AG im März 1969 an die Volkswagen-Tochter Audi verkauft wurde, führte das zur Absage der von der internationalen Motorpresse mit Spannung erwarteten Präsentation des NSU K 70 auf dem Internationalen Automobilsalon in Genf. Bis dahin waren in Neckarsulm bereits 23 fahrfertige NSU K 70 gebaut worden.

Die Absage der Präsentation führte zu Vermutungen, wie etwa derjenigen, der K 70 komme wegen interner Konkurrenz durch die Konzernmodelle VW 411 und Audi 100 nicht auf den Markt, oder er komme nicht als NSU, sondern später als VW K 70 – was sich letztlich bewahrheitete.

Zukunftstaugliche Technologie gesucht

Ende der 1960er Jahre suchte Volkswagen verzweifelt nach einem erfolgversprechenden Antriebssystem, denn sein einstmals den Vorteil des luftgekühlten Motors des VW Käfer deutlich machender Slogan „Luft kocht nicht, Luft gefriert nicht“ hatte sich totgelaufen. In allen damaligen VW-Modellen lärmten schwachbrüstige Luftboxer - die Konkurrenz verdiente ihr Geld längst durch Fahrzeuge mit wassergekühlten Motoren.

Volkswagen nahm sich daher des fertig entwickelten NSU an – denn Audi verfügte mit dem viel verkauften Audi 100 über ein in derselben Fahrzeugklasse angesiedeltes Modell.

Im September 1970 wurde das Fahrzeug nach geringfügigen Veränderungen unter der Bezeichnung VW K 70 schließlich offiziell vorgestellt und im eigens dafür neu errichteten Volkswagenwerk Salzgitter gebaut. Den K 70 gab es nicht als Kombi, um dem Verkauf des hauseigenen VW 411 Variant nicht zu schaden. Lediglich ein paar Kombi-Prototypen waren gebaut worden.
Immerhin bezahlten die Wolfsburger an ihre neue Tochter Audi NSU Auto-Union AG für das ihnen zugefallene Findelkind pro Fahrzeug 33 Mark als Ausgleich für Entwicklungskosten und Investitionen in Produktionsanlagen.

Der K 70 scheiterte schon im Showroom

Nun machte die nächste Schwierigkeit dem K 70 das Leben schwer. Die aufwändig auf luftgekühlte Heckboxer eingeschworenen konservativen Käufer sollten plötzlich ein bisher als nachteilig bezeichnetes Antriebsystem kaufen. So stand er im direkten Vergleich neben seinem Konzernbruder VW 411/412 im Verkaufsraum. Die Verkäufer wurden sogar intern geschult, den "Neuen" nicht zu sehr zu loben - schnell hätten die Kunden dann nämlich gemerkt, dass der K 70 eigentlich das bessere Auto ist.
Denn jahrelang mussten die Verkäufer die Vorteile des Heckantriebs runterbeten, und als sie durch die Audi-Übernahme den K 70 bekamen, waren alle in Argumentationsnöten. Nur, es half ihm nichts, er wurde nicht gekauft. Und dabei hatten die VW-Strategen so darauf gehofft, dass jene Kunden, denen das Käfer-Prinzip mittlerweile zu bieder wurde, für den sportlicheren und dynamischeren K 70 zu gewinnen waren. Ein Trugschluss.

Schnell wurde der K 70 also zum "ungeliebten Kind" oder "geschenkten Gaul".

Dieser Zwist und sicherlich auch seine Abstammung von NSU - und somit explizit seine manchmal besonderen Anforderungen an eine nicht immer VW-affine Ersatzteilhaltung, ließen den K 70 bereits nach fünf Jahren Auslaufmodell werden. Im Mai 1975 war Schluss.

Der K 70 brachte VOLKSWAGEN in die automobile Neuzeit

Dennoch hinterließ der K 70 einen bleibenden Eindruck, denn ausgerechnet das "schwäbische Stiefkind" stellte die VW-Welt technisch auf den Kopf und ebnete den Weg. Sein technisches Konzept des wassergekühlten Frontmotors mit Frontantrieb setzte sich bei VW ab 1973 beim VW Passat und ab 1974 beim VW Golf durch. Er war somit das erste wassergekühlte und frontgetriebene Modell bei Volkswagen und stellt für alle Zeiten die Verbindung zwischen Käfer und Golf her.

Der K 70 war 1970 das fortschrittlichste Modell bei Volkswagen